Über 1.700 Landwirt*innen wirtschaften in Deutschland biologisch-dynamisch. Sie sehen ihre Betriebe als eigenständige, lebendige Organismen. Aber was heißt das überhaupt und was hat das mit Kreisläufen zu tun? Darüber spricht BIO COMPANY mit dem Leiter der Abteilung Agrar- und Ernährungskultur von Demeter, Michael Olbrich-Majer.
BIO COMPANY: Das Thema Nachhaltigkeit auf Feld und auf dem Teller erlebt seit einer Weile einen großen Schub. Mitgliedsbetriebe des Demeter e. V. betreiben nachhaltige Landwirtschaft bereits seit 1924. Was macht ihre Wirtschaftsweise aus?
Michael Olbrich-Majer: Nun, Nachhaltigkeit ist nur ein Nebeneffekt der biodynamischen Landwirtschaft. Denn im Kern geht es hier darum, die Lebenskräfte von Natur und Mensch zu pflegen. Landwirtschaft wird demzufolge als Organismus verstanden und gestaltet auf verschiedenen Ebenen: Vielfalt auf dem Betrieb, mit obligatorischer Tierhaltung, und z. B. das Bodenfruchtbarkeitsquartett von Klee, Kuhdung, (Mist-)Kompost und biodynamischen Präparaten. Landwirtschaft bedeutet für Demeter-Betriebe eine individuelle Entwicklungsaufgabe am Ort.
BIO COMPANY: In dieser Ausgabe dreht sich viel um das Thema Kreisläufe. Kreislaufwirtschaft heißt ja erst einmal, so wenig wie möglich Abfälle zu erzeugen. Aber was heißt das konkret für einen landwirtschaftlichen Betrieb?
Michael Olbrich-Majer: (obligatorische Tierhaltung / Dünge- / Futtermitteleinsatz?)
Zunächst: In der Landwirtschaft gibt es streng genommen keinen Abfall. Denn alles ist organisch und daher im betrieblichen Zusammenhang verwertbar. Erst, wenn das Maß nicht mehr stimmt, man z. B. Tierhaltung und Fläche auseinanderreißt und so infolge einer durch Importfutter aufgeblähten Tierhaltung zu viel Dünger pro Fläche anfällt, entsteht ein Problem. Die Tierhaltung muss also abgestimmt sein auf den Standort, Mist und Kompost biodynamisch veredelt sein. Erntereste kann man verfüttern, krummes Gemüse spenden. Natürlich gibt es auch Plastik in der Landwirtschaft, – Folien oder Kisten. Dazu gibt es teilweise Reyclingwege, z. B. bei Folien oder Pfandsysteme, z. B. bei Abo- und Gemüsekisten.
BIO COMPANY: Woher kommen bei einem bio-dynamischen Betrieb Dinge, die nicht selbst hergestellt werden können? Was passiert mit „Abfällen“?
Michael Olbrich-Majer: Biodynamisch ist ja kein fertiges Paradies, sondern eine Entwicklungsaufgabe. Beim Saatgut z. B. sind wir schon sehr weit, mehr als hundert biodynamisch gezüchtet Gemüsesorten und ein paar Dutzend Getreidesorten gibt es. Bei der Tierhaltung fangen wir gerade erst an, uns um die Zucht zu kümmern, zusammen mit den Kollegen von Bioland in der gemeinsamen Ökologische Tierzucht gGmbH. Mit Mist und Kompost ist vieles schon versorgt, doch brauchen gerade Gärtner noch weitere – organische – Zukaufdünger. Auch der biologische Pflanzenschutz im Obst- und Weinbau ist für den ganzen Ökolandbau noch hier und da eine Herausforderung. Aber mehr geht immer. Ich war gerade bei einem Demeter-Winzer, dort gibt es nirgendwo Plastik, weder im Weinberg, noch an der Flasche.
BIO COMPANY: Der Klimawandel stellt insbesondere auch die Landwirtschaft vor große Probleme. Wie reagieren bio-dynamische Betriebe darauf und was sind mögliche Wege in die Zukunft?
Michael Olbrich-Majer: Der Klimawandel ist ein so großer Einfluss, dass die Landwirtschaft dem relativ ungeschützt ausgesetzt ist. Landwirte können nur etwas vorbeugen: Bewässerung organisieren, Humus aufbauen, Boden bedeckt halten, wenn nicht gerade nach dem Säen oder Pflanzen eine Trockenperiode kommt, mehr Aufwand für die Gesundheit der Pflanzen betreiben, Tiere verkaufen, wenn das Futter nicht reicht. Alle Landwirte müssen sich darauf einstellen, dass es mal zu trocken, mal zu nass, mal zu heiß, mal zu kalt ist. Das biodynamische Konzept des Gemischtbetriebs, das viele Demeter-Betriebe fahren, ist in sich etwas resilienter. Aber selbst neugezüchtete Sorten, auch biodynamische, können Witterungsextremen nur bedingt etwas entgegensetzen. So wird es mittelfristig mehr auf Mischsorten, Mischkultur und agroforstliche Mittel hinauslaufen. Und: Lebensmittel werden teurer werden müssen.
BIO COMPANY: Die neue Regierung hat sich die Förderung der ökologischen Betriebe auf die Fahnen geschrieben. Gehen diese Forderungen für Demeter weit genug?
Michael Olbrich-Majer: Erstmal geht es darum, die Pläne der vorherigen Regierung zur Umsetzung der EU-Agrarreform beiseite zu legen, denn diese benachteiligen die Ökobauern erheblich. Erst dann kann die neue Regierung sich daranmachen, ihr Ziel von 30 % Ökolandbau mit Maßnahmen zu unterfüttern. Ehrliche Preise wären die nachhaltigste Maßnahme: Wenn in die konventionellen Lebensmittel deren Umweltfolgekosten eingepreist wären, dann wären sie in der Regel mindestens so teuer wie Bio heute! So aber zahlen Käufer von Bio-Lebensmitteln doppelt, sowohl beim Einkauf für enkeltaugliche Landwirtschaft wie auch über Steuern für den Wettbewerbsvorteil der konventionellen Landwirtschaft.
Veröffentlicht am 01. Februar 2022