Keine zwei Jahre sind vergangen, seit die US-Firma Cibus versuchte, Eingriffe in das Erbgut von Rapspflanzen mittels Wortklauberei unterm Radar europäischer Gentechnikgesetzgebung durchzumogeln. Sachlich zutreffend bezeichnet fiele das fragliche Labor-Verfahren zweifellos in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Doch bei Cibus sprach man lieber von einer technisch „modernisierten“ Variante klassischer Züchtung und leugnet damit einfach, dass es sich hier sehr wohl um Gentechnik handelt!
Mit Erfolg. Auf die Schützenhilfe des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kann sich Cibus wohl einstweilen verlassen. Der - tatsächlich gezielt genetisch veränderte - Cibus-Raps stelle „im Sinne des Gesetzes keinen gentechnisch veränderten Organismus dar“, bestätigte das Amt, welches dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstellt ist. Bislang gibt es bei uns zwar noch keine genehmigten Freilandversuche für die umstrittenen Rapszuchtlinien. Dafür haben andere Entwickler neuer Gentechnikverfahren die amtliche Erklärung inzwischen als das verstanden, was sie ist: ein Freibrief für die Erfindung von Tarnnamen, um lästige Gentechnikgesetze zu umgehen!
Verfahren, bei denen Erbanlagen in der Pflanzenzelle mit einer „molekularen Schere“ schnell, präzise, billig und spurlos auf neue ertragreiche Züchtungsziele zugeschnitten werden können, heißen jetzt „molekularbiologische Techniken der Pflanzenzüchtung“ oder „neue Züchtungsmethoden“. Solche „Genscheren“ verstecken sich hinter dem technischen Kürzel „CRISPR/Cas“. Doch auch wenn ihr schneidiger Eingriff ins Erbgut keine Artgrenzen überschreitet und außerhalb des Labors nicht mehr nachweisbar ist, und obwohl die offizielle Bezeichnung das Kind nicht beim Namen nennt: was hier stattfindet, ist Genmanipulation!
Kritiker vermuten, Konzerne könnten namentlich harmlos klingende Methoden in Zukunft womöglich ohne behördlich angeordnete Genehmigungsverfahren, ohne Risikoprüfung und Sicherheitskontrollen in Freilandversuchen anwenden und später ihre Produkte auch ohne unser Wissen auf den Markt bringen. Das würde die Sicherheitsinteressen einer Bevölkerung ignorieren, welche die grüne Gentechnik mehrheitlich ablehnt.
Schlimmer noch: Verbraucherrechten wie Transparenz (ehrliche, unmissverständliche Kennzeichnung aller Produkte, an deren Erzeugung Gentechnik beteiligt war!) und die Freiheit der Wahl zwischen zukunftsfähigen, gentechnikfreien oder anderen Erzeugnissen würde damit von der Politik geringere Bedeutung zugemessen als dem Einfluss der Konzernlobbyisten!
Einstweilen hat es Landwirtschaftsminister Schmidt in der Hand, zu entscheiden, wer in Zukunft die Bestimmungsmacht über unsere Teller haben wird: Monsanto, Bayer & Co oder wir, als Bürger*innen eines wahrhaft demokratisch regierten Landes? Doch so oder so: Im September haben wir die Wahl!
Veröffentlicht am 08. August 2017