Der Sommer 2018 war nur der Auftakt. Meteorologen sprechen schon länger davon, dass auch hierzulande nun immer öfter mit Wetterextremen zu rechnen sei. Und welch harter Schlag eine lang andauernde Dürreperiode für unsere „moderne“ Landwirtschaft sein kann, wissen wir seit dem letzten Jahr auch.
Kein Wunder, wenn der Ruf nach Kulturpflanzensorten laut wird, die widerstandsfähiger gegenüber klimatischen Extremen sind. Doch Saatgutsorten, die selbst an kargen Standorten und bei schwierigen Wetterverhältnissen noch ausreichend ertragreich gedeihen, sind Mangelware.
Das war nicht immer so. Als Saatzucht noch vielfach in der Regie regionaler Bauern und Gärtnerinnen stattfand, verfügte die Landwirtschaft über eine große Vielfalt vergleichsweise robuster Sorten. Ihr variantenreiches Saatgut war nicht selten über Generationen gezielt an lokale Besonderheiten angepasst und auf Widerstandskräfte gegenüber widrigen Umwelteinflüssen hin gezüchtet. Keine komplette Garantie gegen Ernteausfälle, aber ein gewisser Schutz vor größerem Schaden – vor allem in der Ökolandwirtschaft und auf lebendigen, speicherfähigen Böden!
Heute existieren kaum noch 10 Prozent vom einstigen Reichtum speziell geeigneter Sorten. Weil die verschwundenen 90 Prozent – auch mit Hilfe politischer Förderung – von einer armseligen Handvoll Hybridsorten verdrängt werden konnten, welche das aktuelle Saatgutangebot beherrscht.
Saatgutriesen, deren drei größte über zwei Drittel des Marktes unter Kontrolle halten, schnippeln derzeit emsig weiter in ihren Labors am Erbgut herum. Um noch mehr Leistung aus jedem Samenkörnchen herauszupressen und um noch mehr Profit aus der zwingenden Verbindung von Saaten, Kunstdünger und Gift zu ziehen. Womit sie Landwirten ihre Unabhängigkeit, Konsument*innen die Wahlfreiheit und dem gesamten Agrarsektor das ökologische Potential natürlich erworbener Widerstandskräfte rauben.
Eine Politik, die den Klimawandel als Tatsache anerkannt und deshalb die ökologische Agrar- und Ernährungswende längst zur Chefsache erklärt hätte, müsste dem gemeinwohlschädlichen Treiben der Saatgut-Konzerne entschlossen entgegentreten. Statt dessen erleben wir eine Landwirtschaftsministerin, die als Reaktion auf mangelnde Dürretoleranz bei Nutzpflanzen nach noch mehr Gentechnik ruft, nur diesmal unter dem Tarnnamen „Genschere“.
Die Laborpflanzenzucht zur Lösung für ein Problem zu erklären, das sie selbst mit verursacht hat, macht allerdings nur den Bock zum Gärtner! Der einzig nachhaltige Ausweg aus dem Engpass bei widerstandsfähigen Sorten wäre die schnelle und viel umfassendere Förderung der ökologischen Pflanzenzucht. Und die Wiederbelebung einer klimatoleranteren Vielfalt, wie sie seit Generationen Teil unserer Kultur gewesen ist!
Veröffentlicht am 14. Juni 2019