Pestizide in der Landwirtschaft könnten Singvögel und Insekten bald verstummen lassen, warnt die US-amerikanische Wissenschaftsautorin Rachel Carson 1962 in ihrem Buch „Der stumme Frühling“. 2016 ist diese Warnung beunruhigend aktuell: Der NABU meldet den dramatischen Schwund von Fluginsekten in Deutschland. Gebietsweise seien heute bis zu 80 Prozent weniger Hummeln, Wildbienen oder Schmetterlinge unterwegs als noch vor 15 Jahren!
Viel deutet auf ihre Vergiftung in unserer Umwelt hin. Besonders in der Landwirtschaft eingesetzte Neonicotinoide stehen unter Verdacht, weit über ihr Einsatzgebiet hinaus Schaden anzurichten, unter Honigbienen wie in der wildlebenden Insektenfauna. Und immer mehr Untersuchungen liefern dafür Beweise.
Nicht nur für natürliche Ökosysteme, auch für unsere Lebensmittelproduktion wird es eng, wenn Insekten als Bestäuber vieler Nutzpflanzen ausfallen. Manche Provinzen Chinas lassen ahnen, was das heißen kann. Wo im Reich der Mitte weder genug wilde Insekten noch Honigbienen zum Blütenbesuch kommen, klettern die Chinesen selbst in die Obstbäume und bestäuben alle Blüten von Hand!
Der Imkerei-Industrielle John Miller sucht Kaliforniens gigantische Mandelplantagen stattdessen schon länger mit riesigen Trucks voller Zuchtbienenkästen zum Massenbestäubungs-Einsatz auf. Pestizide, auch wenn sie die Insektenfauna ganzer Regionen vernichten und die rücksichtslose Ausbeutung von Millionen Hochleistungsbienen sind für ihn bedauerliche, aber unvermeidliche Kollateralschäden seines Profits.
Ob die chinesische Regierung Miller&Co bitten wird, das Geschäft mit dem Bienenfleiß auch auf ihr Land auszudehnen, ist nicht bekannt. In den USA haben Gegner eines Neonicotinoid-Verbots aber wohl bis auf weiteres gute Karten. Anstelle einer ökologisch zukunftsfähigen Entscheidung hat die Regierung dort erst kürzlich weitere langwierige Beweisführungen in Sachen Pestizideinsatz und Bienensterben verfügt.
Die EU hatte 2013 eine auf zwei Jahre begrenzte Zulassungsbeschränkungen für Neonicotinoide beschlossen. Wogegen ihre Hersteller (BASF, Bayer, Syngenta) postwendend Klage einreichten. Zwar fügte der deutsche Landwirtschaftsminister den Beschränkungen auf Zeit 2015 noch Importverbote hinzu, die entsprechend behandeltes Saatgut betreffen.
Doch es bleibt ungewiss, wie lange diese Beschlüsse aufrecht zu erhalten sein werden (TTIP!?) und ob ein vorläufiger Bann von nur drei der gefährlichsten Neonicotinoide überhaupt reicht, um die Gefahr eines „stummen Frühlings“ für Deutschland abzuwenden.
Was wir brauchen, sind langfristige Überlebensgarantien, nicht nur für Wild- oder Honigbienen und andere Bestäuber-Insekten. Und wir wissen: Ökolandbau auf breiter Fläche könnte sie geben. Was jedoch leider immer noch fehlt, ist der politische Wille, mit aller Macht dafür zu sorgen!
Veröffentlicht am 26. April 2016