Ackergifte? Nein danke!

Pestizide bleiben auf dem Acker, haben wir gedacht. Die unabhängige Studie „Pestizid-Belastung der Luft“ beweist: ​Pestizide sind überall, in jedem Winkel Deutschlands, auch weit abseits von Äckern. Über die Luft verbreiten sie sich bis in Städte und Nationalparks.

Wie schädlich sie für Gesundheit und Artenvielfalt sind, kann dabei nur erahnt werden. Wie gefährlich sie für die Bio-Landwirtschaft sind, ist aber jetzt schon klar: Wenn wir nicht sofort handeln, gibt es eines Tages keine Bio-Produkte mehr. Und damit keine giftfreie Ernährung für unsere Kinder und Enkel. Deshalb sagen wir: „Ackergifte? Nein danke!“

Auf dieser Seite finden Sie alle Ergebnisse der Studie „Pestizid-Belastung der Luft“, Hintergründe und weiterführende Informationen zur Bedrohung durch Ackergifte. Zudem zeigen wir Ihnen Möglichkeiten, wie Sie sich gemeinsam mit uns und unseren Partnern gegen Ackergifte und die Vergiftung unserer Lebensgrundlagen einsetzen können.

Mehr Infos auf ackergifte-nein-danke.de

Problemlage: Ackergifte

Was sind Ackergifte?

Ackergifte sind chemische Tötungsmittel, die gegen Pflanzen (Herbizide), Pilze (Fungizide), Insekten (Insektizide) und Mikroorganismen (Pestizide) auf den Äckern ausgebracht werden. Darunter sind hochgiftige Wirkstoffe, die nicht nur Bienen töten und Menschen gesundheitlich schädigen. Sie vernichten auch viele andere Insekten und Wassertiere, schädigen das Bodenleben und belasten das Trinkwasser wie die auf dem Acker angebauten Lebensmittel.

Was sind die bisherigen Folgen?

Der Einsatz von Ackergiften in der Agrarindustrie hat unter anderem dazu beigetragen,

  • dass jeder zweite Feldvogel ausgestorben ist,
  • dass fast die Hälfte der Arten in den Ackergewässern verloren gegangen ist,
  • dass weltweit eine Vielzahl von Insekten gefährdet ist oder diese gar verschwinden,
  • dass auf vielen Ackerflächen kein Humus mehr entsteht,
  • dass durch Wasser- und Winderosion kostbarer Boden verlorengeht,
  • dass die Landschaft, die vor der Erfindung der industriellen Landwirtschaft ein unendlich verflochtenes Lebensgewebe war, das den Menschen einschloss, zur Open-Air-Fabrik für Kohlenhydrate, die den Menschen und alles unerwünschte Leben ausschließt, verkommen ist.

Menschen erleiden gesundheitliche Beschwerden, die jedoch bisher nur in besonders schweren Einzelfällen als Folgen von Vergiftungen mit Spritzmitteln anerkannt wurden.

Was ist Abdrift von Pestiziden?

Bei der Ausbringung von Pestiziden kann es dazu kommen, dass der feine Sprühnebel verweht wird. Das Ackergift wird so vom Ort der Anwendung wegtransportiert und schlägt sich – mitunter in mehreren Hundert Metern Entfernung – auf Nachbarflächen, in Gewässern, Gehölzen, Wäldern oder Gärten nieder. Das nennt man Pestizid-Abdrift. Auch durch Fehlanwendungen und Unfälle kommt es häufig zu direkter Kontaminierung mit den oftmals hochgiftigen Substanzen.

Von Pestizid-Abdrift kann jede und jeder betroffen sein. Über Abdrift gelangt der Sprühnebel auf Obst und Gemüse in Gärten von Anrainern und auf Spielflächen von Kindern. Menschen, die sich gern in der Natur aufhalten, wie Spaziergänger*innen, Jogger*innen und Radfahrer*innen, geraten ungewollt in den Sprühnebel frisch behandelter Felder. Wer sich in der Landschaft aufhält, kann unfreiwillig zum Zeugen oder der Zeugin fehlerhafter Anwendung werden, wenn bei starkem Wind gespritzt wird oder Wege, Raine, angrenzende Gehölze oder Gewässer mitgespritzt werden.

Bio-Betriebe, die in Nachbarschaft zu konventionellen Betrieben liegen, kennen das Problem, dass ihre Anbaufrüchte durch Pestizide von Nachbarflächen kontaminiert werden. Um maximale Wirkung auf die unerwünschten Lebewesen zu erzielen, ist es sogar erwünscht, dass manche Giftstoffe über mehrere Tage in Bodennähe verfügbar sind.

Wenn Sie mehr zu Pestiziden in der Luft wissen wollen, gibt es die wichtigsten Antworten auf whispert.de.

Die Menschen hinter der Studie

Um die Ausbreitung von Ackergiften über die Luft zu erforschen, wurde eine unabhängige, transparente Studie vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und vom Umweltinstitut München in Auftrag gegeben und über Spenden finanziert. Die unabhängigen Wissenschaftler*innen des Sachverständigenbüros TIEM Integrierte Umweltüberwachung haben das Forschungsdesign entwickelt und die Beprobung durchgeführt.

Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft ist ein Zusammenschluss aus Bio-Unternehmer*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Mitinitiatorinnen des Bündnisses sind die beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen Landwende e. V. sowie die Schweisfurth Stiftung für eine nachhaltige Land- und Lebensmittelwirtschaft. Auch Berufsverbände wie der Europäische Berufsimkerverband sind Mitglieder im Bündnis. Die Akteurinnen und Akteure wollen die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen schützen, erhalten und – wo sie bereits beschädigt sind – wieder aufbauen. Dazu initiiert das Bündnis Forschung, informiert Politik und Zivilgesellschaft und sucht den Dialog mit den Menschen.

Mehr zum Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft

Umweltinstitut München

Das Umweltinstitut München ist eine Umweltorganisation mit rund 20 Mitarbeiter*innen, die sich seit ihrer Gründung 1986 mit Radioaktivität und Atomkraft befasst. Inzwischen arbeitet das Umweltinstitut auch dazu, wie die Klimakrise eingedämmt und die Agrarwende hin zu einer zu hundert Prozent ökologischen Landwirtschaft gelingen kann. Wo Umweltgefahren unter den Teppich gekehrt werden, bildet die NGO mit unabhängigen Informationen ein Gegengewicht. Das Umweltinstitut informiert kritisch durch eigene Messungen, Studien sowie Kampagnen und Protestaktionen über die Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft und des derzeitigen Energiesystems und zeigt Lösungswege für eine nachhaltige Wirtschaftsweise auf.

Mehr zum Umweltinstitut Münschen

Vorgängerstudien

Baumrinden-Studie
Urinale

Studie „Pestizid-Belastung der Luft“

Video zur Studie

Was wurde untersucht?

Dass es Abdrift und Verfrachtung von Pestiziden gibt, ist schon lange bekannt. Denn wenn sich der Boden erwärmt, steigen Ackergifte zusammen mit Dunst und feinen Staubteilchen in höhere Luftschichten auf und werden mit dem Wind meilenweit fortgetragen.

Doch in welchem Ausmaß dies geschieht, wurde durch die bundesweite Studie zur Pestizidbelastung der Luft nun erstmals systematisch belegt. Dafür hat das wissenschaftliche Institut TIEM, im Auftrag des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und des Umweltinstituts München, von März bis November 2019 an 116 über die gesamte Bundesrepublik verteilten Standorten den Pestizidgehalt der Luft gemessen.

Die verschiedenen Messpunkte befanden sich in Städten und auf dem Land, in konventionellen sowie Bio-Agrarlandschaften sowie in unterschiedlichen Schutzgebieten, teilweise in weniger als 100 Meter Entfernung von der Quelle – wie ein Radfahrer, der an einem Feld vorbeifährt, auf dem gerade gespritzt wird – teilweise in über 1.000 Metern Entfernung, also schon im Nachbardorf.

Die Daten wurden mit Hilfe von neu entwickelten technischen Passivsammlern, Filtermatten aus Be- und Entlüftungsanlagen sowie durch Funde in Bienenstöcken erhoben. Unterstützt wurde das Projekt von Bürgern, Landwirten und Imkern, die die Pestizidsammler nach Anweisung und gezielter Orts-Auswahl des TIEM-Instituts aufstellten und anschließend die Proben einsendeten. In die Ergebnisse floss zudem eine Vor-Untersuchung an Baumrinden aus den Jahren 2014 bis 2018 mit ein.


Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:

  • Glyphosat findet sich in ganz Deutschland in der Luft.*
  • An den 163 Untersuchungsstandorten wurden insgesamt 138 Pestizid-Wirkstoffe gefunden, an den meisten Standorten ein Pestizid-Cocktail von gleich mehreren Wirkstoffen.
  • 30 % der Wirkstoffe sind nicht (mehr) zugelassen und befinden sich dennoch in unserer Atemluft.
  • Sogar auf dem Brocken im Nationalpark Harz wurden 12 Pestizide in der Luft nachgewiesen.

Für wen ist das gefährlich?

Womöglich für uns alle: Bereits 2015 haben wir in einer anderen Studie bei 99,6 % der Probanden das Pestizid Glyphosat im Urin nachgewiesen. Dass Glyphosat im Darm wirkt und dort Bakterien tötet, die wir für die Verdauung brauchen, und dass es potenziell krebserregend wirkt, ist ebenfalls bekannt. Doch die bisher üblichen, isolierten Laborergebnisse, die zu einzelnen Pestizid-Wirkstoffen durchgeführt werden, sagen kaum etwas darüber aus, wie die komplexen Formeln wirken, die letztlich auf dem Acker landen. Durch die nun nachgewiesene Verfrachtung über weite Landstriche hinweg ergibt sich außerdem die Möglichkeit zu weiteren Wechselwirkungen mit anderen Stoffen – und damit ein ganz anderes Risikopotenzial.

Natürlich für unsere Umwelt: Auch im sogenannten Bienenbrot, das der Ernährung der Larven im Bienenstock dient, wurden Pestizide und Insektizide nachgewiesen. Wie sich das auf diese auch für den Menschen lebenswichtigen Tiere auswirkt, muss noch untersucht werden. Zudem zerstört die konventionelle Landwirtschaft systematisch und nachhaltig den Lebensraum etlicher anderer Insekten, die für die Bestäubung unserer Nutzpflanzen sorgen.


Und schließlich für die Bio-Landwirtschaft: Der Pestizideinsatz in der konventionellen Landwirtschaft bedroht den ökologischen Ackerbau und somit die Wahlfreiheit der Verbraucher. Seit einigen Jahren mehren sich die Fälle, bei denen unerwartet hohe Pestizid-Konzentrationen in biologisch erzeugten Lebensmitteln nachgewiesen werden. Die Studie „Pestizid-Belastung der Luft“ liefert nun einen wesentlichen Grund dafür: Die Pestizide driften weit von den Ursprungsäckern ab und kontaminieren die Bio-Äcker. Das heißt: Bio-Landwirtschaft geht nur dort, wo sichergestellt ist, dass keine Pestizide auf den Boden und auf die angebauten Pflanzen gelangen. Solange sich Ackergifte bis in den letzten Winkel verbreiten und diese Tatsache bei der Zulassung von Wirkstoffen weiterhin vernachlässigt wird, droht die Gefahr, dass es eines Tages keine Bio-Produkte mehr gibt.

Mehr erfahren und Studie „Pestizid-Belastung der Luft“ herunterladen


* Glyphosat wurde in allen Passivsammlern und in allen Filtermatten gefunden. Die insgesamt 69 Standorte der Passivsammler und Filtermatten waren über alle Regionen Deutschlands hinweg aufgestellt bzw. in Lüftungsanlagen eingebaut. Entsprechend haben wir formuliert, dass Glyphosat in allen Regionen Deutschlands nachgewiesen werden konnte. Darüber hinaus war an 28 von 53 deutschlandweit entnommenen Baumrinden-Proben ebenfalls Glyphosat nachweisbar. Nicht nachweisbar war Glyphosat in den insgesamt 41 Proben aus Bienenbrot.

Unsere Forderungen

Die Ergebnisse der Studie „Pestizid-Belastung der Luft“ erfordern, folgende Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Natur dringend umzusetzen:

1. Sofortverbot der in der Luft am meisten verbreiteten Wirkstoffe

Die Bundesregierung muss Produkte mit den Wirkstoffen Glyphosat, Pendimethalin, Prosulfocarb, Metolachlor und Terbuthylazin sofort vom Markt nehmen. Diese fünf Wirkstoffe konnten am häufigsten und weit entfernt von den Ursprungs-Äckern nachgewiesen werden. Dass sie sich über die Luft verbreiten, wird jedoch im europäischen Zulassungsverfahren als nicht relevant eingeschätzt.

2. Pestizid-Verbot bis 2035

Die EU-Kommission muss bis zum Jahr 2035 schrittweise alle chemisch-synthetischen Pestizide verbieten und dabei mit denen beginnen, die für unsere Gesundheit und die Umwelt am gefährlichsten sind.

3. Pestizid-Monitoring

Die Bundesregierung muss ein jährliches, deutschlandweites Monitoring über die Verbreitung von Pestiziden in der Luft durchführen und die Kombinationswirkung unterschiedlicher Wirkstoffe in der Natur und im Menschen erforschen. Angekündigte Planungen zu Messungen dürfen nicht wieder zurückgenommen werden.

4. Schadensersatz

Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass der Bio-Landbau nicht durch den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden aus der konventionellen Landwirtschaft geschädigt wird. Dafür muss sie ab sofort einen Schadensausgleichs-Fonds einrichten, finanziert durch zehn Prozent der jährlichen deutschen Umsatzerlöse der Pestizid-Hersteller.

Was Sie tun können

Biologisch angebaute Lebensmittel einkaufen

Denn nur so können wir die ökologische Landwirtschaft unterstützen, in der keine chemisch-synthetischen Pestizide zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Schritt, um gegen die Pestizid-Belastung in der Luft und unserer Umwelt vorzugehen und schließlich ganz zu eliminieren.

Informieren

In vielen unserer BIO COMPANY Märkte sind leuchtend-grüne Laden-Displays zur Aktion „Ackergifte? Nein Danke!“ aufgestellt. Dort finden Sie ausgewählte Produkte der Bündnis-Partner*innen sowie Infomaterial, das darüber Aufschluss gibt, warum Landwirtschaft auch ohne Pestizide funktioniert, wieso die Zulassungsverfahren für Ackergifte unzureichend sind und warum konventionell und Bio nicht zusammen passen.

Helfen Sie mit, die Botschaft weiterzutragen: Ackergifte? Nein Danke!

Logo nutzen

Sowohl Privatpersonen und zivilgesellschaftliche, nicht-kommerzielle Organisationen als auch Wirtschaftsunternehmen können auf Anfrage das „Ackergifte? Nein danke!“-Logo mit der Biene nutzen und damit Ihre Unterstützung für die Kampagne ausdrücken.

Logo anfragen und Unterstützung zeigen

Fragen stellen

Wer schützt uns vor Ackergiften? Fragen Sie diejenigen, die es wissen müssten: Die Agrarminister*innen und Umweltminister*innen der Bundesländer. Es ist die Aufgabe der Ministerien, Fragen aus der Bevölkerung zu beantworten. Im Fragengenerator können Sie Ihre Frage oder eine bereits vorformulierte Frage an die Ministerien stellen.

Jetzt Fragen an die Politik stellen

Bürgerinitiative unterstützen

Ackergifte bis 2035 aus dem Verkehr ziehen, Landwirte und Bäuerinnen beim Umstieg auf eine umweltfreundliche Landwirtschaft unterstützen und Bienen und Ökosysteme retten – das will die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“. #SaveBeesandFarmers.


Spenden

Engagement ist unbezahlbar – Infrastruktur und Lebensunterhalt kosten Geld. Diese einfache Formel gilt auch für die Forschung und die Kampagne „Ackergifte? Nein danke!“

Spenden und helfen